12.07.2021  •  2021 gruen_report

Deutschland hält sich für den "Recycling-Weltmeister", ist aber "Europameister" im Wegwerfen von Verpackungsmüll.

(veröffentlicht in den Asperger Nachrichten am 08.07.2021)

Deutschland hat ein Problem mit dem Plastik, ein großes sogar. Das Land hält sich für den "Weltmeister der Wiederverwertung", ist aber faktisch "Europameister" im Wegwerfen von Verpackungsmüll und beim Recycling weit schlechter, als es sich weismacht. Das Verbot von Plastikwattestäbchen, Strohhalmen und anderem Einwegplastik, das von letztem Samstag an EU-weit gilt, birgt die Gefahr, die falsche Eigenwahrnehmung des selbsternannten Recycling-Champions noch zu verstärken. Seht her, wir tun was; jetzt gilt sogar ein Verbot. In Wirklichkeit zeigt sich bereits, wie die Industrie das Verbot trickreich und teils dreist umgeht. Zum Beispiel mit Alternativen, die den Müllberg weiter vergrößern oder sogar gesundheitsschädlich sind: etwa Kaffeebecher aus Bambus oder Trinkhalmen, in denen sich Schimmel bilden kann.

Aber das ist gar nicht das größte Problem. Viel schlimmer ist, feststellen zu müssen, wie das Verbot das Land weiter einlullt mit dem trügerischen Gefühl, dass schon alles laufe.

Nichts läuft, jedenfalls, wenn man auf zwei entscheidende Kriterien schaut: die Menge des Verpackungsmülls und die Recyclingquote, und zwar die echte. Und da sieht man: Der Verpackungsmüll nimmt von Jahr zu Jahr zu, im Corona-Jahr 2020 sogar besonders stark (hier grüßen die Lieferdienste); wiederverwertet in dem Sinn, wie Otto Normalverbraucher es versteht, nämlich, dass aus dem Joghurtbecher wieder ein Joghurtbecher entsteht - das gelingt jedoch nur bei einem Bruchteil des Verpackungsmülls.

Das Drama: Nichts deutet trotz aller Rhetorik und neuer Gesetze darauf hin, dass die Umwelt in absehbarer Zeit nachweisbar entlastet würde. Ein wichtiger Grund dafür ist das überbordende Greenwashing der Industrie, die den Menschen mit irreführender Werbung etwa über wundersam aus dem Ozean gefischtes Plastik vorgaukelt, sie würden mit dem Kauf dieser Flasche ernsthaft etwas für den Schutz der Natur tun. Sich im Dschungel wahrer und falscher Werbebotschaften zurechtzufinden, ist über die vergangenen Jahrzehnte für Verbraucherinnen und Verbraucher eher schwieriger als leichter geworden.

Der Gesetzgeber trägt dafür maßgeblich die Schuld. Regierungsvertreter haben der Industrie keine klare Kante gezeigt. Stattdessen aber haben sich Regierungsvertreter von der Industrie einflüstern lassen, schon der Export von Plastikmüll rechtfertige die Bezeichnung "recycelt", auch wenn er in Wirklichkeit im Indischen Ozean landete. Oder allein, wenn Plastikmüll einer Sortieranlage zugeführt werde, dürfe er schon eingehen in die Recyclingquote und diese etwas aufhübschen - selbst wenn er am Ende verbrannt wurde.

Deshalb brauchen wir endlich einen gesetzlichen Vorrang für Mehrweg vor Einweg überall dort, wo es ökologisch vorteilhaft ist - bei To-go-Bechern, Versandverpackungen oder Verpackungen im Supermarkt. Für die VerbraucherInnen muss es sich auch finanziell lohnen, Kaffee im Mehrwegbecher zu bestellen. Dazu hilft eine gesetzliche Klarstellung, dass Mehrweg immer das günstigste Angebot sein muss. Bis 2025 können wir so den Verbrauch von rund einer Milliarde To-go-Bechern pro Jahr in Deutschland halbieren. Viele junge Unternehmen stehen in den Startlöchern, um innovative, digital gestützte Pfandlösungen auf den Markt zu bringen. Wir wollen diesen Geschäftsmodellen zum Durchbruch verhelfen und so eine Wirtschaft ohne Müll möglich machen.

Pfandsysteme für unsere Gastronomie und Geschäfte, die außer Haus Essen verkaufen, wären in Asperg ein erster Schritt. Gut, dass der Klimaschutzmanager das Thema bearbeitet.