22.08.2022  •  2022 gruen_report

Landrat setzt auf das falsche Pferd

(veröffentlicht in den Asperger Nachrichten am 18.08.2022)

AKW-Laufzeitverlängerung - Was brächte zusätzlicher Atomstrom dem Gasmarkt wirklich?

Jahrzehntelang haben wir Grünen für das Ende der Atomkraft in Deutschland gekämpft und auf das Aus der letzten drei noch am Netz befindlichen AKW gewartet. Am 31.12.2022 müsste das eigentlich nach jetziger Rechtslage geschehen. 

Um Gas zu sparen, herrscht aber seit Wochen eine hitzige Debatte mit Forderungen aus Politik und Gesellschaft nach längeren Laufzeiten. Jetzt plädiert auch Landrat Allgaier für eine längere Laufzeit von bis zu 5 Jahren. Nicht nur auf einen Streckbetrieb um mehre Monate.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sah sich auf Grund der Debatte veranlasst, einen 2. Stresstest durchführen zu lassen. Je nach Ergebnis könnte es zu einem “Streckbetrieb” kommen. Soll heißen: die AKW-Laufzeiten würden um wenige Monate unter Nutzung vorhandener Brennstäbe verlängert. Diesem Szenario stehen Forderungen von FDP und Union entgegen, auch neue Brennstäbe zu beschaffen und die Kraftwerke insgesamt noch länger zu betreiben.

Was brächte zusätzlicher Atomstrom dem Gasmarkt wirklich? 

Nur gut 15 % des Stroms in Deutschland wurden im Jahr 2021 aus Erdgas erzeugt und nur 12 % des verbrauchten Gases wurden für die Stromerzeugung genutzt. Zwei unabhängig voneinander erschienene Studien von Strommarktanalysten haben gezeigt, dass durch einen Weiterbetrieb der drei noch laufenden Reaktoren der Gasverbrauch in Deutschland nur um rund 1 % sinken würde. Aktuell exportiert Deutschland in der Bilanz auch wegen der hierzulande noch laufenden drei Atomreaktoren viel Strom, der vor allem in die Schweiz, nach Österreich, Polen und Frankreich geht.

Dass man in anderen Sektoren mehr Potenzial zur Gaseinsparung hat als im Strommarkt, zeigen diese Zahlen: 

Die größten Gasverbraucher sind die Industrie mit 37 %, die Haushalte mit 31 % sowie Handel, Gewerbe und Dienstleistungen mit 13 %. Würden diese Sektoren jeweils 15 % ihres Gasverbrauchs einsparen – ein Ziel in dieser Höhe hat die EU gerade für den nationalen Verbrauch durchgesetzt – , würde so viel Erdgas gespart wie heute die gesamte Stromwirtschaft benötigt.

Die Atomdebatte lenkt also nur davon ab, dass die größten Einsparpotenziale für Erdgas im Wärmesektor und in der Industrie liegen. Würde z.B. im Wärmesektor, also alleine in den Häusern, die für 31 % des Erdgasverbrauchs stehen, die Temperatur um 1 Grad reduziert, hätte man den gesamten Gasverbrauch im Land um 2 % gesenkt. Damit wäre mehr Gas gespart, als laut den jüngsten Marktanalysen durch eine Laufzeitverlängerung der AKW erzielt würde. Es gibt also effizientere Wege, Gas zu sparen, als AKW-Laufzeiten zu verlängern.

Leider setzt der Landrat mit seinen Äußerungen auch auf das falsche Pferd. Besser gesagt auf ein totes Pferd. Denn schon längst haben sich Industrie und Gewerbe auf einen anderen Weg gemacht, um den Strombedarf aus erneuerbaren Energien zu decken. Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen werden nicht nur immer effizienter und technisch besser, es sinken sogar die Preise (insgesamt). Das ist bei der Atomkraft nicht der Fall. Sie werden weder besser, noch günstiger. Ganz im Gegenteil, der Aufwand für den Weiterbetrieb wird immer höher.  Ach und übrigens: Atomkraft ist nicht CO2 neutral!

Mehr Antworten gibt das Bundesumweltministerium: www.bmuv.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/nukleare-sicherheit/faq-akw-laufzeitverlaengerung